§ 104 BetrVG

"Betriebsstörer" raus?

Es ist Aufgabe des Betriebsrats die Interessen jedes Arbeitnehmers zu vertreten - auch wenn er nicht immer alles gut findet, was einzelne Arbeitnehmer tun!

Wollte ein Betriebsrat sich anmaßen, das Verhalten eines Arbeitnehmers "moralisch" zu bewerten (z.B. Arbeitseinsatz, menschlicher Umgang, politische Meinung, Diebstahl), ehe er sich entscheidet, dessen Interessen (mehr oder weniger nachdrücklich) zu vertreten, würde er immer wieder vor schwierigen Fragen stehen:
  • Sollen wir einer Entlassung wegen Diebstahl zustimmen? Von welcher Größenordnung an?
  • Sollen wir einer Versetzung zustimmen, weil auch wir den Betroffenen für einen "faulen Hund" halten?
Oder eben auch:
  • Sollen wir die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen, weil dieser durch rassistisches Gerede für Unruhe sorgt?
Noch einmal:
Es ist Aufgabe des Betriebsrats die Interessen jedes Arbeitnehmers zu vertreten - auch wenn er nicht immer alles gut findet, was einzelne Arbeitnehmer tun!
Deshalb wird der Betriebsrat an "moralisch" knifflige Fälle herangehen wie ein Rechtsanwalt, der einen Straftäter auch dann verteidigt, wenn er persönlich dessen Tat verabscheut. Er wird also so objektiv wie möglich nach allen Argumenten suchen, die den "Angeklagten" entlasten könnten - z.B. im Fall einer vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung wegen Diebstahl, Tätlichkeit oder untragbar erscheinenden Arbeitsverhaltens (siehe § 102 BetrVG).
Und im Prinzip genauso muss sich der Betriebsrat auch verhalten, wenn er sich selber vor die Frage stellt, ob er in einem besonders gravierenden Fall die Entfernung eines den Betriebsfrieden störenden Arbeitnehmers durch Entlassung oder Versetzung verlangen soll!
Der Betriebsrat wird dabei vor allem dies tun:
  • Er überprüft, ob das Fehlverhalten tatsächlich so gravierend ist, wie es auf den ersten Blick erscheint und aus welchen Gründen (auf welchem Hintergrund) es dazu gekommen ist.
  • Er überlegt, ob eine Entlassung / Versetzung wirklich die einzige und angemessene Möglichkeit ist, auf das Fehlverhalten zu reagieren oder ob nicht eine weniger gravierende Reaktion infrage kommt (z.B. klare strikte Abmahnung, Therapie).
  • Er wird immer nach der relativ "leichtesten", aber doch noch Erfolg versprechenden Maßnahme suchen (grundsätzlich also immer eher Versetzung als Entlassung, wenn die Aussicht besteht, dass sogar so schwerwiegende Vorkommnisse wie rassistische Ausfälle, sexuell motivierte Belästigungen oder Tätlichkeiten an einem anderen Arbeitsplatz eventuell nicht vorkommen würden).
Die Grenze liegt selbstverständlich dort, wo aus einer "Störung des Betriebsfriedens" (etwa im Fall sexueller Belästigung) eine Straftat wird! Diese zu verfolgen, ist dann aber eine Aufgabe der Staatsanwaltschaft und nicht des Betriebsrats (und auch nicht des Arbeitgebers).
Ist sich der Betriebsrat nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände sicher, dass er die Entlassung / Versetzung eines "Betriebsstörers" verlangen will / muss, dann beschließt und übermittelt er einen entsprechenden Antrag an den Arbeitgeber.
Will der Arbeitgeber dem Antrag folgen, dann muss er selbstverständlich den Fall nicht noch einmal nach § 99 BetrVG oder § 102 BetrVG an den Betriebsrat herantragen, da er davon ausgehen kann, dass der Betriebsrat keine Einwände haben wird!
Weigert sich der Arbeitgeber die beantragte Maßnahme durchzuführen und bleibt der Betriebsrat bei seiner Meinung, dann wird er beim Arbeitsgericht beantragen, dass der Arbeitgeber die Forderung des Betriebsrats umsetzen muss. Folgt der Arbeitgeber dem Beschluss des Arbeitsgerichts nicht, wird der Betriebsrat wiederum beim Arbeitsgericht beantragen, den Arbeitgeber durch ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro täglich zur Durchführung der Maßnahme zu zwingen.

§ 104

Hat ein Arbeitnehmer durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört, so kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung verlangen. Gibt das Arbeitsgericht einem Antrag des Betriebsrats statt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen, und führt der Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Entlassung oder Versetzung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro.