§ 3 Abs. 2+3 BetrVG

Ausnahmsweise ohne Tarifvertrag

Beispiel:

Eine vom Normalfall abweichende Struktur der Arbeitnehmervertretung kann oft auch vor allem im Interesse des Arbeitgebers liegen - etwa wenn es nur ein Betriebsratsgremium für das ganze Unternehmen geben soll, statt mehrerer Betriebsräte in den verschiedenen Betrieben plus einem Gesamtbetriebsrat.

Das ist der Grund, warum der Gesetzgeber die Regelung einer vom Normalfall abweichenden Struktur der Arbeitnehmervertretung nur mit der zuständigen Gewerkschaft (also im Rahmen eines Tarifvertrags) zugelassen hat. Denn nur die Beteiligung einer starken, unternehmensunabhängigen Organisation kann wirksam verhindern, dass vorhandene Betriebsräte vielleicht "erpresst" oder sonstwie "über den Tisch gezogen" werden, um eine dem Arbeitgeber genehme Struktur der Arbeitnehmervertretung durchzusetzen.
Eine Ausnahme gibt es nur dann, wenn ein Unternehmen nicht tarifgebunden ist! Und das ist nur der Fall, wenn für ein Unternehmen kein einziger Tarifvertrag gilt (weder zu Entgelt- noch zu irgendwelchen anderen Themen)!
Zwei Situationen sind dabei denkbar:
1. In einem nicht tarifgebundenen Unternehmen gibt es einen Betriebsrat (oder auch mehrere Betriebsräte und einen Gesamtbetriebsrat)!
Dann kann nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 BetrVG eine der folgenden Maßnahmen...
  • ein Betriebsrat für mehrere Betriebe im Rahmen eines Unternehmens
  • ein Betriebsrat für bestimmte Sparten eines Unternehmens
  • zusätzliche Branchen- oder Regionalbetriebsräte oder
  • Einrichtung zusätzlicher Arbeitnehmervertretungen (z.B. Arbeitsgruppensprecher)
...ausnahmsweise im Rahmen einer Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG) vereinbart werden.
Achtung:
Diese Ausnahme gilt nicht für die besonders weit reichende Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG! Eine ganz "freie" Festlegung einer abweichenden Struktur der Arbeitnehmervertretung ist und bleibt also nur im Rahmen eines Tarifvertrags möglich!
2. In einem nicht tarifgebundenen Unternehmen mit mehreren Betrieben gibt es keinen (!) Betriebsrat!
In diesem Fall können die Arbeitnehmer dieses Unternehmens durch Abstimmung beschließen, dass für alle Betriebe dieses Unternehmen ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt werden soll und darf (dies gilt also nur für § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BetrVG).
Für eine solche Abstimmung ist keine besondere Form vorgeschrieben! Sie kann also schriftlich (und geheim) erfolgen, aber auch offen durch Handaufheben in hierzu einberufenen Betriebsversammlungen (§ 42 BetrVG)!
Diese Abstimmung kann in die Wege geleitet werden durch...
  • drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder
  • eine Gewerkschaft, die mindestens ein Mitglied im Unternehmen hat
Diese Abstimmungslösung könnte infrage kommen, wenn es darum geht, in einem bisher betriebsratslosen und nicht tarifgebundenen Unternehmen als ersten Schritt einen gemeinsamen Betriebsrat zu wählen, mit dem Ziel, danach dann die Voraussetzungen für reguläre Betriebsratswahlen in allen Betrieben des Unternehmens zu schaffen.
Eine (manchmal sinnvollere) Alternative dazu wäre es, zunächst nur in einem Betrieb eine Betriebsratswahl durchzusetzen und von dort ausgehend dann an der Wahl weiterer Betriebsräte in den anderen Betrieben des Unternehmens zu arbeiten.

§ 3 Abs. 2+3

(2) Besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden.
(3) Besteht im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a keine tarifliche Regelung und besteht in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden.