§ 85 Abs. 1-3 BetrVG

Betriebsrat und Beschwerden

Gibt es einen Betriebsrat, dann sollte dieser für Beschwerden von Arbeitnehmern die erste Adresse sein (wenn nicht, sollte der Betriebsrat darüber nachdenken, warum das nicht so ist).
Der Vorteil einer Beschwerde beim Betriebsrat gegenüber der Beschwerde nach § 84 BetrVG liegt darin, dass der § 85 BetrVG dem Betriebsrat mehr Möglichkeiten einräumt Abhilfe zu schaffen, als einem einzelnen Arbeitnehmer.

Arbeitnehmer können sich gegenüber dem Betriebsrat grundsätzlich über alles und jeden beschweren - vorausgesetzt, sie sind davon direkt oder indirekt persönlich betroffen. Das aber dürfte bei mehr oder weniger jedem betrieblichen Problem der Fall sein.
Wichtig:
Der Betriebsrat muss organisatorisch sicherstellen, dass jede eingehende Beschwerde registriert und auf der nächsten Betriebsratssitzung zum Thema gemacht wird!
Dann allerdings ist der Betriebsrat frei in seiner Entscheidung, ob er eine solche Beschwerde für berechtigt hält oder nicht!
Keinesfalls aber darf es dazu kommen, dass vielleicht schon der Betriebsratsvorsitzende bestimmte Beschwerden "aussortiert" und diese gar nicht erst auf die Tagesordnung einer Betriebsratssitzung gelangen!
Der weitere Ablauf:
  1. Ergibt die Diskussion im Betriebsrat, dass eine Beschwerde für berechtigt gehalten wird, muss der Betriebsrat umgehend und konkret beschließen, wann und wie er sich in dieser Angelegenheit an den Arbeitgeber wendet.
  2. Zeitgleich muss der Betriebsrat auch den Arbeitnehmer über seine Entscheidung und die beabsichtigten Maßnahmen informieren (ebenso dann später über jeden weiteren Schritt und dessen Ergebnisse).
  3. Können Betriebsrat und Arbeitgeber sich nicht einigen, ob die Beschwerde berechtigt ist und damit verbunden, wie der Grund der Beschwerde zu beseitigen ist, kann der Betriebsrat die Initiative zur Bildung einer Einigungsstelle ergreifen (§ 76 BetrVG), die dann verbindlich darüber entscheidet, ob die Beschwerde des Arbeitnehmers berechtigt ist.
Vom Wortlaut des Gesetzes her, geht es in der Einigungsstelle eigentlich nur um die Frage: berechtigt ja oder nein. Faktisch kann man diese Frage aber nur klären, wenn man den Fall im Detail behandelt, und auch die Frage diskutiert, wie es denn richtig sein müsste.
Ausnahme:
Geht es in der Beschwerde allerdings um einen nicht erfüllten individuellen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers (z.B. auf korrekte Entgeltzahlung), ist nicht die Einigungsstelle zuständig, sondern es muss das Arbeitsgericht eingeschaltet werden, das über die Berechtigung des Rechtsanspruchs entscheidet. Selbstverständlich wird auch vor diesem Schritt der Betriebsrat versuchen, die unterschiedlichen Auffassungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer innerbetrieblich zu klären.
Hat die Einigungsstelle entschieden oder haben Betriebsrat und Arbeitgeber sich einigen können, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über seine Maßnahmen zur Behandlung der Beschwerde unterrichten. Ziehen sich diese Maßnahmen über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen oder Monate) hin, ist der Betriebsrat auch über Zwischenschritte zu informieren (und wird diese Informationen immer auch an den Arbeitnehmer weiterleiten).
Obwohl es im Gesetzestext nicht ausdrücklich erwähnt ist, gilt das Benachteiligungsverbot aus § 84 Abs. 3 BetrVG auch für den § 85 BetrVG!
Und noch etwas ist zu bedenken:
Bei weitem nicht jede kritische Äußerung eines Arbeitnehmers ist gleich eine Beschwerde. Viele Arbeitnehmer wollen einfach "nur mal Dampf ablassen" oder den Betriebsrat ganz allgemein informieren. Jedes Betriebsratsmitglied sollte daher, wenn sich ein Arbeitnehmer bei ihm über Missstände beklagt, mit ihm besprechen, ob es sich tatsächlich um eine Beschwerde handelt und ihm den Ablauf des Beschwerdeverfahrens erläutern.

Es gibt keine Formvorschriften, wie Beschwerden beim Betriebsrat eingereicht werden können. Es ist also möglich, dass ein Arbeitnehmer einem Betriebsratsmitglied sein Anliegen mündlich vorträgt.
Um aber keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, sollten mündlich vorgetragene Beschwerden von dem Betriebsratsmitglied protokolliert werden. Besser ist es natürlich immer, den Arbeitnehmer zu bittet, sein Anliegen schriftlich dem Betriebsrat vorzutragen. Dazu genügt ein formloses Schreiben, das Arbeitnehmer und Betriebsrat auch gemeinsam aufsetzen können.

§ 85 Abs. 1-3

(1) Der Betriebsrat hat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken.
(2) Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Dies gilt nicht, soweit Gegenstand der Beschwerde ein Rechtsanspruch ist.
(3) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Behandlung der Beschwerde zu unterrichten. § 84 Abs. 2 bleibt unberührt.