§ 91 BetrVG

"Angemessene" Maßnahmen

Werden Änderungen bei Arbeitsplätzen, Arbeitsablauf oder Arbeitsumgebung geplant, die gegen arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich verstoßen würden, dann kann der Betriebsrat verlangen, dass etwas dagegen getan wird.

Allerdings ist der Betriebsrat bei den Maßnahmen, die er durchsetzen kann, wieder eingeschränkt. Die geforderten Maßnahmen müssen "angemessen" sein und sie müssen die drohende Belastung entweder "abwenden", "abmildern" oder zumindest "ausgleichen".
Diese Begriffe müssen wieder genau betrachtet werden:
Angemessen ist eine Maßnahme immer dann, wenn sie den bestmöglichen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer sicherstellt und dabei wirtschaftlich gerade noch vertretbar ist!
Um dieses von Fall zu Fall immer wieder neu zu bestimmende Gleichgewicht zwischen Arbeitnehmerschutz auf der einen und dem wirtschaftlich Möglichen auf der anderen Seite zu klären, sind drei Schritte zu absolvieren:
1. Schritt:
Es ist zu prüfen, ob eine entstehende Belastung ganz und gar "abgewendet" werden kann. Das hieße, dass die Belastung nicht mehr vorhanden sein dürfte - Beispiele:
  • Ersatz gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe durch unschädliche Stoffe
  • Beseitigung von Lärm oder Staub direkt an der Entstehungsquelle
2. Schritt:
Ist die Abwendung technisch (!) nicht möglich, dann muss nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die drohende Belastung zumindest abgemildert werden kann - Beispiele:
  • Einsatz von Schutzkleidung, Gehörschutz u.ä.
  • Verringerung der Arbeitsgeschwindigkeit
  • Wechsel der Tätigkeiten
3. Schritt:
Sollte auch eine Abwendung technisch (!) unmöglich sein, dann kämen noch Maßnahmen des Belastungsausgleichs infrage. Das hieße, dass sich konkret an den Belastungen zwar nichts ändert, dass aber versucht wird, ihre negativen Wirkungen zu entschärfen - Beispiele:
  • Verkürzung der Arbeitszeit
  • zusätzliche bezahlte Pausen
  • Sonderurlaube
Finanzielle Zuwendungen (z.B. "Lärmzulagen") bedeuten keinerlei echten Schutz vor den gesundheitlichen Folgen einer Belastung und sollten deshalb nicht vereinbart werden!
Die Frage, ob und wieweit Maßnahmen zum Gesundheitsschutz finanzierbar sind, sollte für den Betriebsrat bei seinen Überlegungen keine Rolle spielen. Wenn ein wirksamer Gesundheitsschutz technisch möglich ist, sollte er auch gefordert werden. Die Berücksichtigung der finanziellen Aspekte sollte - wenn anders keine Einigung zu erreichen ist - einem Einigungsstellenverfahren (§ 76 BetrVG) überlassen werden.
Und noch einmal ganz deutlich:
Beim § 91 BetrVG geht es immer nur um Maßnahmen, die über die in Normen und Verordnungen bereits festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen! Ein Unterschreiten dieser Mindestanforderungen zu vereinbaren, wäre in jedem Fall ungesetzlich und rechtsunwirksam!
Das Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG kommt also nur zum Einsatz, wenn eine belastende Arbeitssituation zu erwarten ist, für die es entweder noch keine klaren Schutzbestimmungen gibt oder wo der Betriebsrat über die vorhandenen (eventuell veralteten) Schutzbestimmungen hinausgehen will.

§ 91

Werden die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.