§ 103 Abs. 1+2 BetrVG

Schutz vor Kündigung

Mitglieder des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, des Wahlvorstands sowie Kandidaten für eines dieser Ämter dürfen "ordentlich" (also "fristgemäß") überhaupt nicht gekündigt werden! Dies gilt auch für Änderungskündigungen!

Dieser Schutz aus dem § 15 KSchG  gilt...
  • bei Mitgliedern des Betriebsrats und der Jugend- und Auszubildendenvertretung für die gesamte Amtszeit und danach noch für ein weiteres Jahr. (Auch Ersatzmitglieder genießen für die Zeit, in der sie nachgerückt sind, sowie ein Jahr nach Ende des Nachrückens diesen Schutz) 
  • bei Kandidaten für den Betriebsrat und die Jugend- und Auszubildendenvertretung für die Zeit von der Bekanntgabe des Wahlergebnisses und im Falle der Nichtwahl noch für weitere sechs Monate
  • bei Wahlvorstandsmitgliedern für die Zeit von der Benennung bis zu Bekanntgabe des Wahlergebnisses und danach noch für weitere sechs Monate
Unter Ausnutzung dieser Möglichkeiten können - etwa bei einer Wahl unter schwierigen Bedingungen - alle an der Wahl z.B. eines Betriebsrats Beteiligten lückenlos vor ordentlicher Kündigung geschützt werden (auch dadurch, dass z.B. spätere Betriebsratskandidaten zu Wahlvorstandsmitgliedern benannt werden)!
Will der Arbeitgeber also jemanden aus dem oben genannten geschützten Personenkreis loswerden, bleibt ihm nur die Möglichkeit einer "außerordentlichen" (sogenannten "fristlosen") Kündigung.
Die außerordentliche Kündigung einer geschützten Person setzt - wie bei der außerordentlichen Kündigung "normaler" Arbeitnehmer (§ 102 BetrVG) auch - das Vorliegen eines "wichtigen Grundes" (§ 626 BGB) voraus.
Darüber hinaus gilt:
Der Grund, der die beabsichtigte außerordentliche Kündigung rechtfertigen soll, muss so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber eine weitere Beschäftigung nicht einmal für ein paar Tage zugemutet werden könnte! Trifft dies nicht zu oder wäre zunächst eine Abmahnung erforderlich, kann es eine außerordentlich Kündigung überhaupt nicht geben (und eine ordentliche Kündigung ist ja ohnehin nicht möglich)!
Dabei ist zu beachten:
Auch eine durch § 103 BetrVG geschützte Person kann - wenn überhaupt - nur wegen schwerwiegender Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten gekündigt werden.
Allerdings gilt der Schutz des § 103 BetrVG nur während der Amtszeit, also nicht während des nachwirkenden Kündigungsschutzes (Bei Wahlbewerbern, die nicht gewählt wurden, gilt der Schutz bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses).
Das heißt umgekehrt:
Eine auch schwere Verletzung der Amtspflichten z.B. eines Betriebsratsmitglieds kann nie Grund für eine außerordentliche Kündigung sein (allenfalls wäre ein Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG möglich)!
Vor allem aber:
Die außerordentliche Kündigung einer durch § 103 BetrVG geschützten Person ist immer nur möglich mit ausdrücklicher Zustimmung durch den Betriebsrat!
Und so hat der Betriebsrat zu verfahren:
  • nach der Information über die beabsichtigte außerordentliche Kündigung der geschützten Person hat der Betriebsrat zu einer Betriebsratssitzung zusammenzukommen, über seine Haltung zu beraten und einen Beschluss zu fassen.
  • geht es um ein Betriebsratsmitglied, darf dieses an der Diskussion und Abstimmung zu dem entsprechenden Tagesordnungspunkt nicht teilnehmen (das zuständige Ersatzmitglied ist einzuladen - siehe "Ersatzmitglieder")
Wichtig: Äußert sich der Betriebsrat nicht, gilt das als Verweigerung der Zustimmung!
Hat der Betriebsrat seine Zustimmung zur beabsichtigten fristlosen Kündigung einer geschützten Person verweigert, kann der Arbeitgeber höchstens noch versuchen, die Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen. Die Möglichkeit, dieses Verfahren durch eine einstweilige Verfügung zu beschleunigen, gibt es in diesem Fall nicht.

Betrieb ohne Betriebsrat

Natürlich ist es in besonderen Fällen denkbar, dass ein Arbeitgeber eine Betriebsratswahl zur Neugründung eines Betriebsrats im Betrieb dadurch verhindern will, dass er den Mitgliedern des Wahlvorstands fristlos kündigt.
In diesen Fällen gibt es noch keinen Betriebsrat, den der Arbeitgeber anhören müsste. Das ist jedoch kein Freibrief. Vielmehr muss der Arbeitgeber in diesen Fällen ebenfalls zunächst das Arbeitsgericht anrufen und die Zustimmung zur Kündigung einholen, bevor er kündigt.

§ 103 Abs. 1+2

(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.
(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.
(2a) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.