§ 95 Abs. 1+2 BetrVG

Auswahlrichtlinien

Auswahlrichtlinien sind Grundsätze, die der Arbeitgeber zu berücksichtigen hat, wenn für eine personelle Einzelmaßnahme (Einstellung, Versetzung, Umgruppierung, Kündigung) mehrere Arbeitnehmer oder Bewerber in Frage kommen. Diese Grundsätze (die in der Praxis sehr oft auch ein Punktesystem enthalten) müssen dann von ihm herangezogen werden, um zu entscheiden, welcher Arbeitnehmer / Bewerber auszuwählen ist.

Solche Auswahlrichtlinien kann der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrats in Kraft setzen! Der Betriebsrat hat in diesem Fall also ein echtes Mitbestimmungsrecht (siehe "Beteiligungsrechte")!
Verstößt der Arbeitgeber mit seiner Personalentscheidung gegen die vereinbarten Auswahlrichtlinien, kann der Betriebsrat daraufhin seine Zustimmung verweigern (§ 99 BetrVG) oder im Fall einer Kündigung widersprechen (§ 102 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG).
Bei Kündigungsfällen können Auswahlrichtlinien selbstverständlich nur für betriebsbedingte Kündigungen gelten!
Auswahlrichtlinien könnten (auf den ersten Blick) auch einen Vorteil haben:
So gut wie jede Personalentscheidung - ob Einstellung, Versetzung, Umgruppierung oder Kündigung - erfordert eine Auswahl. Diese Auswahl erfolgt immer und in jedem Fall auf der Grundlage von Kriterien. Nur dass diese Kriterien oft sehr subjektiv, nur "im Hinterkopf" der Entscheider vorhanden sind. Auswahlrichtlinien könnten diese Kriterien "nach vorne holen", sie klarer, objektiver und damit überprüfbar machen.
Es gibt aber auch eine "Kehrseite der Medaille":
Sind Auswahlrichtlinien generell für alle Personalentscheidungen erst einmal festgelegt, dann sind sowohl Arbeitgeber als auch der Betriebsrat an diese Grundsätze gebunden!
Damit besteht die Gefahr, dass viele Personalentscheidungen nur noch zu einer "Rechenaufgabe" werden. Es werden lediglich noch Kriterien abgehakt oder Punkte zusammengezählt. Damit aber würde sich der Betriebsrat im Hinblick auf Personalentscheidungen selber Fesseln anlegen. Die oft gewollte und notwendige Berücksichtigung des jeweiligen Einzelschicksals wäre dann nicht mehr möglich.
Der Betriebsrat wird deshalb sehr genau überlegen müssen, ob er einer vom Arbeitgeber vorgeschlagenen Auswahlrichtlinie zustimmt oder gar (in Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern) sein Initiativrecht nutzt, um selber die Aufstellung von Auswahlrichtlinien zu fordern.
Dabei sollte der Betriebsrat berücksichtigen, dass...
...in Fällen, in denen es ohne Auswahlrichtlinien wirklich nicht mehr gehen würde (Betriebsstilllegungen, große Rationalisierungsmaßnahmen), auch später noch Auswahlrichtlinien begrenzt auf diese Maßnahme erarbeitet, gefordert und (über ein Einigungsstellenverfahren - § 76 BetrVG) auch durchgesetzt werden können.

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  • Es gibt sehr unterschiedliche (und manchmal auch "versteckte") Typen von Auswahlrichtlinien (...)
  • § 95 Abs. 1+2

    (1) Richtlinien über die personelle Auswahl bei Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet auf Antrag des Arbeitgebers die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
    (2) In Betrieben mit mehr als 500 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung von Richtlinien über die bei Maßnahmen des Absatzes 1 Satz 1 zu beachtenden fachlichen und persönlichen Voraussetzungen und sozialen Gesichtspunkte verlangen. Kommt eine Einigung über die Richtlinien oder ihren Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
    (2a) Die Absätze 1 und 2 finden auch dann Anwendung, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien nach diesen Absätzen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt.