§ 38 Abs. 1 BetrVG

Betriebsgröße und Freistellung

Ehe im Betriebsrat die ganz (oder in "Teilzeit" – siehe unten) von ihrer Berufsarbeit freizustellenden Betriebsratsmitglieder gewählt werden (§ 38 Abs. 2 BetrVG), muss der Betriebrat beschließen, wie viele seiner Mitglieder freigestellt werden sollen (siehe auch "Freistellung").
Der Gesetzestext bietet als Anhaltspunkt dafür Mindestgrenzen, die festlegen, ab welcher Betriebsgröße welche Zahl von (Vollzeit-)Freistellungen mindestens erforderlich ist. Dabei ist zu beachten, dass es (im Gegensatz zu § 9 BetrVG – Zahl der Betriebsratsmitglieder) hier nicht darauf ankommt, ob die zu zählenden Arbeitnehmer wahlberechtigt sind oder nicht. Auch Teilzeitbeschäftigte werden voll mitgerechnet. Auch die Zahl der regelmäßig beschäftigten Leih-Arbeitnehmer ist zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2 AÜG)
Noch einmal ganz deutlich:
Die im Gesetzestext genannten Größenordnungen sind nur die Mindestgrenzen, von denen an ein Betriebsrat in jedem Fall die entsprechende Zahl von Komplett-Freistellungen beschließen kann!
Es ist also durchaus möglich, schon bei weniger als 200 Arbeitnehmern 1 Betriebsratsmitglied freizustellen oder bei größeren Betrieben mehr Betriebsratsmitglieder als im Gesetzestext genannt.
Will ein Betriebsrat dies tun, dann muss er in einem entsprechenden Beschluss allerdings gute Gründe nennen, die eine solche über die gesetzlichen Mindestgrenzen hinausgehende Freistellung erforderlich erscheinen lassen.
Beispiel:
Ein Betrieb mit 150 Beschäftigten besteht aus besonders vielen, zum Teil auch weit auseinander liegenden Filialen, die dazu noch einen besonders hohen Beratungsbedarf haben. Dies erfordert häufige persönliche Besuche durch ein Betriebsratsmitglied, was aber ohne Beeinträchtigung der betriebllichen Abläufe nur bei einer vollen Freistellung realisiert werden kann.
Sogar dies könnte ein Grund sein:
Ein Arbeitgeber macht durch seine ständig kompomisslose Anti-Betriebsrats-Haltung so viele Sitzungen (Vorbereitungsarbeit!) und Papierkrieg nötig, dass der Betriebsrat diese viele Arbeit nur mit einer (weiteren) Komplett-Freistellung bewältigen kann.
Wie auch immer:
Solche über die Mindestgrenzen hinausgehenden Freistellungen lassen sich – wenn der Arbeitgeber einen entsprechenden Beschluss des Betriebsrats nicht akzeptiert – durch ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht durchsetzen.
Für jede Art der Freistellung gilt:
Der Betriebsrat muss nicht immer Komplett-Freistellungen beschließen – auch feste "Teilzeit"-Freistellungen sind möglich!
Damit es hier kein Missverständnis gibt: 
Jedes Betriebsratsmitglied kann sich jederzeit und im Prinzip auch zeitlich unbegrenzt selbst von der Arbeit freistellen, wenn dies für die ordnungsgemäße Erledigung seiner Aufgaben erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 BetrVG). In der Praxis führt dies aber doch immer wieder zu organisatorischen Problemen, so dass es unterm Strich doch sinnvoll erscheint, zusätzlich (!) zur individuellen Freistellung nach § 37 Abs. 2 BetrVG auch Freistellungen für feste Zeiträume zu beschließen.
Beispiel:
Der Betriebsrat eines Betriebs mit 550 Beschäftigten beschließt statt der in jedem Fall erforderlichen Komplett-Freistellung von 2 Betriebsratsmitgliedern die Halbtagsfreistellung von 4 Betriebsratsmitgliedern.
Für solche "Teilzeit"-Freigestellten hätte das (wenn sie beruflich in Vollzeit arbeiten) sogar den Vorteil, dass sie in ihrem eigentlichen Beruf leichter den Anschluss halten könnten und nicht so hart getroffen würden, wenn sie die Freistellung - vielleicht nach mehreren Amtsperioden! - verlieren würden (siehe auch § 38 Abs. 4 BetrVG und "Freistellung").
Noch ein ganz anders gelagertes Beispiel:
In einem Betrieb mit 350 Beschäftigten beschließt der Betriebsrat, eine halbtags beschäftigte Kollegin von ihrer Berufsarbeit freizustellen. Zusätzlich beschließt der Betriebsrat, dazu noch einen vollzeitbeschäftigten Kollegen halbtags freizustellen. Zusammen ist damit die in § 38 BetrVG festgelegte Mindestgrenze für Freigestellte erreicht.
Das Beispiel zeigt, dass der Betriebsrat beim Ausschöpfen der Freistellungsmöglichkeiten flexibel (und kreativ) vorgehen kann und sollte.
Fällt ein freigestelltes Betriebsratsmitglied vorübergehend aus (z.B. wegen Erziehungszeit), kann der Betriebsrat beschließen, dass für diese Zeit ein anderes Betriebsratsmitglied ganz oder teilweise von der Berufsarbeit freizustellen ist (befristeter Freistellungsbeschluss)!
Und auch das ist möglich:
Sowohl durch Tarifvertrag als auch durch eine (freiwillige) Betriebsvereinbarung können für die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern andere Größenordnungen als die im Gesetzestext stehenden festgelegt werden - was in der Praxis allerdings so gut wie nie vorkommt.

§ 38 Abs. 1

(1) Von ihrer beruflichen Tätigkeit sind mindestens freizustellen in Betrieben mit in der Regel
200 bis 500 Arbeitnehmern
ein Betriebsratsmitglied,
501 bis 900 Arbeitnehmern
2 Betriebsratsmitglieder,
901 bis 1.500 Arbeitnehmern
3 Betriebsratsmitglieder,
1.501 bis 2.000 Arbeitnehmern
4 Betriebsratsmitglieder,
2.001 bis 3.000 Arbeitnehmern
5 Betriebsratsmitglieder,
3.001 bis 4.000 Arbeitnehmern
6 Betriebsratsmitglieder,
4.001 bis 5.000 Arbeitnehmern
7 Betriebsratsmitglieder,
5.001 bis 6.000 Arbeitnehmern
8 Betriebsratsmitglieder,
6.001 bis 7.000 Arbeitnehmern
9 Betriebsratsmitglieder,
7.001 bis 8.000 Arbeitnehmern
10 Betriebsratsmitglieder,
8.001 bis 9.000 Arbeitnehmern
11 Betriebsratsmitglieder,
9.001 bis 10.000 Arbeitnehmern
12 Betriebsratsmitglieder.
In Betrieben mit über 10.000 Arbeitnehmern ist für je angefangene weitere 2.000 Arbeitnehmer ein weiteres Betriebsratsmitglied freizustellen. Freistellungen können auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen. Diese dürfen zusammengenommen nicht den Umfang der Freistellungen nach den Sätzen 1 und 2 überschreiten. Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung können anderweitige Regelungen über die Freistellung vereinbart werden.