§ 38 Abs. 2 BetrVG

Wahl der Freigestellten

Wer für die Betriebsratsarbeit ganz (oder in "Teilzeit") von seiner Berufsarbeit freigestellt werden soll, entscheidet der Betriebsrat durch eine Wahl!
Häufig wird dabei fast "automatisch" der Betriebsratsvorsitzende zum Freigestellten gewählt. Dies mag in vielen Fällen als die praktischste Lösung erscheinen. Grundsätzlich aber kann der Betriebsrat auch jedes andere Betriebsratsmitglied für eine Freistellung wählen.
In jedem Fall aber kann die Wahl des/der Freigestellten (ähnlich wie z.B. beim Betriebsausschuss§ 27 BetrVG) entweder als Persönlichkeits- oder als Listenwahl (§ 14 BetrVG) durchgeführt werden.
In folgenden Fällen wird die Wahl von Freizustellenden als Persönlichkeitswahl durchgeführt:
  • es soll nur 1 Betriebsratsmitglied freigestellt werden
  • die letzte Betriebratswahl wurde zwar als Listenwahl durchgeführt, der Betriebsrat einigt sich aber auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag (eine Kandidatenliste)
Die Wahl selber läuft dann folgendermaßen ab:
  • alle Kandidaten werden auf eine Liste geschrieben
  • entsprechende Stimmzettel werden erstellt und
  • alle Betriebsratsmitglieder haben in geheimer Wahl die Möglichkeit, sich ihren Wunschkandidaten herauszusuchen und anzukreuzen
Ist die letzte Betriebsratswahl allerdings als Listenwahl durchgeführt worden und konnten sich die Betriebsrats"fraktionen" nicht auf eine gemeinsame Kandidatenliste einigen, dann muss über die Freistellungen im Listenwahlverfahren entschieden werden!
Diese Wahl läuft folgendermaßen ab:
  • Die einzelnen "Fraktionen" des Betriebsrats, stellen jeweils einen eigenen Wahlvorschlag mit einer Liste ihrer Freistellungs-Kandidaten auf und geben der Liste einen Namen (z.B. den des Listenführers).
  • Aus den Namen / Bezeichnungen dieser Listen wird ein Stimmzettel erstellt.
  • Jedes Betriebsratsmitglied kann (geheim) die von ihm favorisierte Liste durch Ankreuzen wählen.
  • Mit der Anzahl der Stimmen, die die einzelnen Listen bekommen haben, wird nach dem d'Hontschen-Höchstzahlenverfahren errechnet, von welcher Liste wie viele Freigestellte gewählt wurden (zum Rechenverfahren siehe § 14 BetrVG).
Beispiel:

Bei der Betriebsratswahl beszeht aus 15 Mitglieder und hat Anspruch auf 3 Freistellungen:
Liste 1: 9 BR-Sitze errungen
Liste 2: 6 BR-Sitze errungen

Beide Listen schlagen Betriebsratsmitglieder zur Freistellung vor:

Die Abstimmung ergibt für Liste 1: 9 Stimmen - und für Liste 2: 6 Stimmen:

Auswertung Liste 1: 9:1=9; 9:2=4,5; 9:3=3
Auswertung Lste  2: 6:1=6; 6:2=3, 6:3=2

Ergebnis: 2 Mitglieder der Liste 1 und ein Mitglied der Liste 2 werden freigestellt
Bei alldem gilt:
Im Grundsatz ist der Betriebsrat frei in seinen Beschlüssen zu Zahl und Personen der freizustellenden Betriebsratsmitglieder! Eine "Genehmigung" durch den Arbeitgeber wird nicht gebraucht!
Ist der Arbeitgeber z.B. der Ansicht, dass der Betriebsrat mehr Freistellungen beschlossen hat, als es mit Blick auf die betrieblichen Umstände erforderlich erscheint, kann er den Beschluss des Betriebsrats nur durch ein Beschlussverfahren vorm Arbeitsgericht "wegbekommen" - es sei denn, der Betriebsrat gibt nach oder lässt sich auf einen Kompromiss ein.
Um dafür den Weg offen zu halten, gilt:
Das (komplette) Betriebsratsgremium muss sich vor der Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder mit dem Arbeitgeber "beraten"!
Ein Beispielschreiben für die Einladung zu dieser Besprechung findet sich hier.
Themen dieser Besprechung sollen sein:
  1. die vom Betriebsrat für eine Freistellung ins Auge gefassten Personen
  2. die Anzahl der Freizustellenden - dies aber nur wenn der Betriebsrat über die Mindeststaffel in § 38 Abs. 1 BetrVG hinausgehen will
Gegen die Auswahl der für eine Freistellung vorgesehenen Betriebsratsmitglieder kann der Arbeitgeber nur sachliche und nicht etwa persönliche Einwände vorbringen. Beispiel:
Der Arbeitgeber könnte vorbringen, dass ein für die Freistellung vorgesehenes Betriebsratsmitglied beruflich eine besonders verantwortungsvolle, nicht zu ersetzende Position einnimmt. Oder er könnte darlegen, dass gleich mehrere der zur Wahl Stehenden aus der gleichen Abteilung kommen und diese dann lahmgelegt würde.
Ein solches Gespräch kann durchaus sinnvoll sein - am Ende aber gilt:
Der Betriebsrat entscheidet allein sowohl über Personen als auch über die Zahl der Freizustellenden! Und dabei wird für den Betriebsrat immer die Lösung Priorität haben, die für eine gute Interessenvertretung die beste ist!
Nach durchgeführter Wahl muss der Betriebsrat in jedem Fall dem Arbeitgeber mitteilen, wer künftig freigestelltes Betriebsratsmitglied sein wird.
Ein Beispielschreiben für diese Mitteilung findet sich hier, und ein zweites Beispielschreiben zum Inkrafttreten der Freistellung hier.
Hat der Arbeitgeber sachliche Bedenken (siehe oben) gegen die Freistellung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds dann kann innerhalb von 14 Tagen ein Einigungsstellenverfahren (§ 76 BetrVG) einleiten, in dem dann über die Berechtigung seiner Einwände entschieden wird.
Dabei hat die Einigungsstelle (wenn die Wahl der Freigestellten als Listenwahl durchgeführt wurde) die beteiligten Listen und Minderheitsregeln möglichst zu berücksichtigen.
Und dies zum Schluss:

Eine Abberufung der Freigestellten durch den Betriebsrat ist jederzeit möglich...

  • wenn die Wahl des / der Freigestellten durch Persönlichkeitswahl (nur eine Kandidatenliste) erfolgt ist, durch einfachen Beschluss mit Mehrheit der anwesenden Betriebsratsnitglieder
  • wenn die Wahl als Listenwahl erfolgt ist, durch Beschluss einer Drei-Viertel-Mehrheit aller Betriebsmitglieder (nicht nur der anwesenden)

§ 38 Abs. 2

(2) Die freizustellenden Betriebsratsmitglieder werden nach Beratung mit dem Arbeitgeber vom Betriebsrat aus seiner Mitte in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so erfolgt die Wahl nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl; ist nur ein Betriebsratsmitglied freizustellen, so wird dieses mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Der Betriebsrat hat die Namen der Freizustellenden dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber eine Freistellung für sachlich nicht vertretbar, so kann er innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Bestätigt die Einigungsstelle die Bedenken des Arbeitgebers, so hat sie bei der Bestimmung eines anderen freizustellenden Betriebsratsmitglieds auch den Minderheitenschutz im Sinne des Satzes 1 zu beachten. Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, so gilt sein Einverständnis mit den Freistellungen nach Ablauf der zweiwöchigen Frist als erteilt. Für die Abberufung gilt § 27 Abs. 1 Satz 5 entsprechend.

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