§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG

Leistungs-/Verhaltenskontrolle

Jede technische Einrichtung, die Verhaltens- und Leistungsdaten von Arbeitnehmern ermitteln oder aufzeichnen kann, unterliegt der Mitbestimmung durch den Betriebsrat (und nicht nur Systeme, deren eigentlicher Zweck es ist, solche Daten zu erfassen)!
Dabei geht es heute so gut wie immer um computergestützte (digitale) Kontrolleinrichtungen. Allerdings sollten andere Möglichkeiten der technischen Leistungs- und Verhaltenskontrolle nicht übersehen werden - dazu können z.B. gehören:
  • Einwegspiegel
  • mechanische Stechuhren
  • Multimomentkameras
  • Videoüberwachung
Bei den heute vorherrschenden digitalen / elektronischen Kontrolleinrichtungen erstreckt sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auf die Inbetriebnahme (und damit indirekt auch auf die Beschaffung) und des laufenden Betriebs sowohl...
  • der Hardware (z.B. spezielle Zeiterfassungsgeräte, aber auch z.B. Chip- und Barcodesysteme zur Türöffnung, GPS-Systeme oder Fahrtenschreiber) als auch
  • der Software und ihrer Datenverarbeitungsfunktionen
Darunter fallen - wie gesagt - alle Systeme, die der Erfassung, der Speicherung und der Verarbeitung / Auswertung von Verhaltens- oder Leistungsdaten dienen könnten. Anders ausgedrückt:
Jede technische Einrichtung, die objektiv für einen Kontrolleinsatz geeignet ist, fällt unter die Mitbestimmung des Betriebsrats! Auf die subjektiven Absichten, die der Arbeitgeber mit der Einführung eines solchen Systems verfolgen mag, kommt es dabei nicht an!
Durch höchstrichterliche Rechtsprechung abgesichert muss also der § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG eigentlich so gelesen werden:
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen...
Das heißt: Selbst wenn ein Arbeitgeber glaubhaft machen kann, dass er entsprechende Funktionen / Möglichkeiten gar nicht nutzen will, muss dies dennoch in einer Betriebsvereinbarung abgesichert werden.
So gut wie jedes informations- und kommunikationstechnische System - vom PC bis zum Diensthandy, von der Textverarbeitung bis zur umfassenden Unternehmenssoftware - erfasst immer auch Daten über die Nutzung der Systeme, die für eine Leistungs-/Verhaltenskontrolle genutzt werden könnten:
  • Nutzungszeitpunkte
  • Anzahl von Aktionen
  • Fehlbedienungen usw.
Und das heißt konkret:
Praktisch jedes digitale System oder Gerät unterliegt im Hinblick auf die damit verbundenen Kontrollmöglichkeiten der vollen Mitbestimmung durch den Betriebsrat!
Das bedeutet für die Praxis:
  • keine Einführung eines solchen Systems ohne Zustimmung des Betriebsrats
  • Voraussetzung ist rechtzeitige und umfassende Information des Betriebsrats (siehe: § 80 Abs. 2 BetrVG)
  • Möglichkeit die Inbetriebnahme notfalls durch einsteweilige Verfügung zu stoppen (siehe: "Beteiligungsrechte")
  • Regelung der Datenerfassung und Datennutzung in einer Betriebsvereinbarung

Das Ziel, das der Betriebsrat dabei immer verfolgen wird, ist der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer nach § 75 BetrVG - dazu gehören z.B.:

  • das Recht, über die Nutzung der eigenen Daten selbst bestimmen zu dürfen
  • das Recht am eigenen Bild
  • das Fernmeldegeheimnis
Da die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten neuer IT-Anlagen - oft auch im Zusammenhang bereits bestehender Systeme - nicht immer klar erkennbar sind und im Betriebsrat meist das notwendige Fachwissen fehlt, empfiehlt sich die Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 80 Abs. 3 BetrVG), wenn es um die Einführung neuer IT-Systeme geht.

§ 87 Abs. 1 Nr. 6

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: [...]
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen [...]