§ 102 BetrVG

Kündigungsgründe

Zu den Informationen, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat geben muss, wenn er eine Kündigung vor hat, gehören die Angabe der beabsichtigten Kündigungsart und dem Kündigungsgrund.

Nur so kann sich der Betriebsrat ein Bild von der Lage machen und seine Bedenken und den Widerspruch entsprechend formulieren. Fehlen entsprechende Angaben des Arbeitgebers, kann man davon ausgehen, dass das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess feststellen wird, dass die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft war.
Man unterscheidet drei Arten von Kündigungsgründen:
  • betriebsbedingte Kündigung
  • personenbedingte Kündigung
  • verhaltensbedingte Kündigung

Die betriebsbedingte Kündigung

Bei der betriebsbedingten Kündigung liegt die Ursache der Kündigung im Betrieb. Das heißt z.B. dass ein Arbeitsplatz wegfällt, sei es nun wegen einer Rationalisierung, Organisationsänderung, Automatisierung oder aus anderen Gründen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei jeder betriebsbedingten Kündigung stets denjenigen Arbeitnehmer für eine Kündigung auszuwählen, der von den Konsequenzen einer Entlassung sozial am wenigsten hart getroffen werden würde; und zwar von allen vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb (Qualifikation und Hierarchieebene) – also auch aus Abteilungen, die vom Wegfall des Arbeitsplatzes gar nicht betroffen sind!

Ob der Arbeitgeber dies tatsächlich getan hat, muss vom Betriebsrat überprüft werden. Das bringt ihn zwangsläufig in eine "Zwickmühle". Denn:

Wenn der der Betriebsrat bei seiner Überprüfung Arbeitnehmer findet, die von einer Kündigung sozial weniger hart getroffen würden, dann ist er verpflichtet, einen Widerspruch gegen die Kündigung einzulegen, mit der Begründung, dass bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gründe nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Das klingt nun sehr danach, als würde der Betriebsrat, um den einen Arbeitnehmer zu "retten", einen anderen Arbeitnehmer "ans Messer liefern" – und letztlich ist das auch so, da sollte man sich nichts vormachen.

Allerdings:

Der Betriebsrat ist nicht verpflichtet, konkret die Namen der Arbeitnehmer zu nennen, die er gefunden hat!

Er kann, darf und soll sich mit einer allgemeinen Aussage begnügen – siehe dazu das Beispielschreiben hier.

Das macht es etwas leichter, aber trotzdem:

Die Möglichkeit, einer Kündigung aus sozialen Gründen zu widersprechen, wird jedem Betriebsrat gegen den Strich gehen. Und doch muss es sein, weil es nun einmal Aufgabe eines Betriebsrats ist, immer die jeweils Schwächsten zu schützen. Und es unterstreicht noch einmal, wie wichtig es ist, wirklich alles dafür zu tun, um möglichst in jedem Einzelfall eine plausibel erscheinende Begründung für einen Widerspruch auf Weiterbeschäftigung zu finden...

Die personenbedingte Kündigung

Personenbedingte Kündigungen sind in aller Regel Kündigungen, die wegen häufiger Krankheiten ausgesprochen werden. Solche krankheitsbedingten Kündigungen sind aber nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig.
Um entscheiden zu können, mit welchen Gründen er einer solchen Kündigung widersprechen kann, prüft der Betriebsrat die Angaben des Arbeitgebers:
  • Wie viele krankheitsbedingte Fehlzeiten hat es in den letzten Jahren tatsächlich gegeben? Eine krankheitsbedingte Kündigung wäre nämlich allenfalls möglich, wenn diese Fehlzeiten über mindestens drei Jahre deutlich über sechs Wochen pro Jahr gelegen haben.
  • Entscheidend ist aber, dass diese krankheitsbedingten Fehlzeiten die Schlussfolgerung zulassen, dass es auch weiterhin zu krankheitsbedingten Fehlzeiten in dieser Größenordnung kommen wird. Diese Schlussfolgerung wäre aber nur möglich, wenn es sich immer um dieselbe Krankheit gehandelt hat und wenn es  anscheinend keine Möglichkeit mehr gibt, diese "negative Gesundheitsprognose" zu verbessern (z.B. durch Therapie/Kur).
  • Der Betriebsrat überprüft, ob die Behauptung des Arbeitgebers zutrifft, ob es betrieblich zwingend nötig ist, den durch Krankheit zeitweise nicht besetzten Arbeitsplatz wieder (ständig) zu besetzen und damit hohe zusätzliche Kosten für den Arbeitgeber entstehen.

Je nach Ergebnis dieser Überprüfung wird der Betriebsrat Widerspruch einlegen und dabei Bedenken äußern, weil z.B. …

  • … die Menge der vom Arbeitgeber aufgelisteten Krankheitszeiten nicht groß genug ist, um eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen
  • … die Ursache für die Erkrankungen mit dem konkreten Arbeitsplatz (z.B. Allergien) zusammenhängt
  • … das Krankheitsbild keine negative Gesundheitsprognose zulässt, weil die Krankheiten immer unterschiedlich waren,
  • … die bisherigen Therapien jetzt erfolgreich waren,
  • … eine Kur die Prognose deutlich verbessern würde,
  • … die häufigeren Erkrankungen nur zu geringen betrieblichen Störungen führen.

Entscheidend für die Überlegungen des Betriebsrats für einen Widerspruch  wird in Fällen einer krankheitsbedingten Kündigung auch sein, ob der Arbeitgeber seinerseits alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um den Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Die entscheidende Frage hierbei ist, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Wiedereingliederung im Zuge eines betrieblichen Eingliederungsmanagements, BEM, angeboten (siehe dazu auch § 84 SGB IX).

Ein anderer Grund für eine personenbedingte Kündigung kann ein schwerwiegender Leistungsmangel sein, der aber nicht auf das Verhalten (Faulheit, Nachlässigkeit usw.) zurückzuführen ist, sondern in der Person des Arbeitnehmers selbst liegt. Hierzu können z.B. mangelnde körperliche Leistungsfähigkeit, mangelnde (Aus-)Bildung usw. gehören.

In solchen und ähnlichen Fällen wird der Betriebsrat ähnlich vorgehen und widersprechen, weil der Leistungsmangel z.B.:

  • durch eine Fortbildung behoben werden kann
  • an einem anderen Arbeitsplatz nicht so hohe Anforderungen gestellt werden
  • ein Wechsel der Abteilung die Ursachen des Leistungsmangels (z.B. schlechtes Verhältnis zum Abteilungsleiter) beseitigen würde.
Ein Beispielschreiben hier

Die verhaltensbedingte Kündigung

Leistungsmängel können in der Person liegen (z.B. ungenügende Ausbildung, zu geringe Intelligenz) und zu dem Versuch einer personenbedingten Kündigung führen. Sie können aber auch ein Problem des Verhaltens sein (z.B. Unpünktlichkeit, Schlampigkeit, usw.). 

Aber auch sonstige Regelverstöße im Verhalten des Arbeitnehmers (z.B. Schikanieren, ständige Beleidigungen usw.) können zur verhaltensbedingten Kündigung führen. Nun können Menschen ihr Verhalten aber ändern. Das jedoch setzt voraus, dass der Betroffene weiß, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten nicht akzeptieren will.
Deshalb kann eine verhaltensbedingte Kündigung nur erfolgreich sein, wenn es vorher schon einen "Schuss vor den Bug" in Form einer Abmahnung gegeben hat!

Aber selbst wenn es schon eine oder mehrere Abmahnungen gegeben haben sollte, kann der Betriebsrat unter bestimmten Umständen Widerspruch auf Weiterbeschäftigung einlegen, etwa weil...

an einem anderen Arbeitsplatz wegen anderer Anforderungen die konkreten Leistungsmängel nicht zu befürchten wären.

an einem anderen Arbeitsplatz geringere oder andere Anforderungen gestellt werden.                                                                                                 

die Möglichkeit besteht, die Leistungsmängel durch Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen zu beheben.

weil an einem anderen Arbeitsplatz (mit anderen Arbeitskollegen / Vorgesetzten) das beanstandete Verhalten nicht mehr zu erwarten ist.

Ein Beispielschreiben hier