§ 102 Abs. 3+4 BetrVG

Bedenken äußern, Widerspruch formulieren

Will der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung (fristgerechte Kündigung) aussprechen, hat der Betriebsrat die Möglichkeit,
  • Bedenken zu äußern und
  • einen Widerspruch zu formulieren.

Bei einer außerordentlichen (fristlosen) Kündigung, hat der Betriebsrat nur die Möglichkeit,

  • Bedenken zu äußern.

Mehr zu Kündigungsarten und -gründen findet sich hier. Das Wichtigste aber ist das Folgende:

Der Betriebsrat hat in beiden Fällen Fristen zu wahren, die es unbedingt einzuhalten gilt!

Das heißt konkret:

  • Bei einer ordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat vor Ablauf einer Woche seine Stellungnahme schriftlich dem Arbeitgeber zustellen.
  • Bei einer außerordentlichen Kündigung muss der Betriebsrat vor Ablauf von 3 Kalendertagen seine Stellungnahme schriftlich dem Arbeitgeber zustellen.

Trifft der Widerspruch oder die Bedenken des Betriebsrats zu spät ein, gilt die Zustimmung zur Kündigung als erteilt (siehe hierzu § 102 Abs. 2 BetrVG)!

Näheres zu Fristen und deren Berechnung findet sich hier.

Der Betriebsrat muss also unter Umständen umgehend eine zusätzliche Betriebsratssitzung durchführen, um innerhalb der Frist über die Anhörung des Betriebsrats beraten und beschließen zu können.

Welchem Ziel dienen nun diese Bemühungen des Betriebsrats?

Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten aufzeigen

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses soll für den Arbeitgeber immer das letzte Mittel der Wahl sein. Zuvor muss er alle anderen denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um eine Kündigung zu vermeiden.

Das Ziel eines Widerspruchs zur Kündigung ist es also, dem Arbeitgeber aufzuzeigen, dass eine Kündigung vermeidbar ist und dass der Arbeitnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Zumindest so lange, bis ein Gericht über die Kündigung entschieden hat.

Der § 102 BetrVG bietet dem Betriebsrat fünf Gründe für einen Widerspruch.

Eine Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt wenn …

  1. … die Sozialauswahl fehlerhaft war. Bei einer betriebsbedingten Kündigung also die Abwägung sozialer Aspekte (also welchem Arbeitnehmer gegebenenfalls  zu kündigen ist) und warum die konkret beabsichtigte Kündigung aus Sicht des Betriebsrats  falsch ist. Näheres zum Thema soziale Auswahl hier.
  2. … bestehende Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG nicht beachtet wurden.
  3. … eine Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen möglich wäre, wenn der Betriebsrat also aufzeigen kann, dass es doch noch einen Arbeitsplatz gibt, den der zu kündigende Arbeitnehmer bekleiden kann, weil dort vergleichbare Qualifikationen erwartet werden und der betroffene Arbeitnehmer in der Lage ist, die Tätigkeiten auszuüben. Näheres zum Thema Weiterbeschäftigung auf anderem Arbeitsplatz hier.
  4. … eine Weiterbeschäftigung nach zumutbarer Qualifizierung möglich wäre. Hier kommen Arbeitsplätze infrage, die der Arbeitnehmer ausüben könnte, wenn er eine zumutbare Fort- oder Weiterbildung mitmacht. Dabei kommen auch Lehrgänge und Seminare in Betracht (zum Beispiel um eine bestimmte Software bedienen oder einen Gabelstapler fahren zu können, oder ein zusätzlicher Sprachkurs oder dergleichen). Näheres zum Thema Weiterbeschäftigung nach Qualifizierung hier.
  5. … eine Weiterbeschäftigung nach geänderten Vertragsbedingungen möglich wäre. Relativ häufig kommt es vor, dass zwar ein Arbeitsplatz vorhanden ist, der bestehende Arbeitsvertrag aber einer Beschäftigung im Wege steht. Beispielsweise könnte ein bisher vollzeitbeschäftigter älterer Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Einschränkungen durchaus noch auf einem Teilzeitarbeitsplatz mit geringeren Belastungen eingesetzt werden. Näheres zum Thema: geänderte Vertragsbedingungen hier.
Wichtig:

Welche der Widerspruchsmöglichkeiten anzuwenden ist, hängt natürlich ganz entscheidend davon ab, welche Kündigungsgründe der Arbeitgeber anführt:

  • betriebsbedingte Gründe,
  • personenbezogene Gründe,
  • verhaltensbedingte Gründe
Aber:

In allen Fällen muss der Betriebsrat lediglich die Möglichkeit aufzeigen, dass (und auf welche Art) eine Weiterbeschäftigung seiner Meinung nach besteht! Er muss es nicht beweisen!

Näheres zum Formulieren eines Widerspruchs findet sich hier.

Bedenken, Widerspruch und die Folgen

Bedenken kann der Betriebsrat sowohl bei einer ordentlichen als auch einer außerordentlichen Kündigung immer äußern! Eine Rechtsfolge hat dies jedoch nicht!

Dennoch sollte der Betriebsrat seine Bedenken unbedingt formulieren. Dabei geht es nicht darum, Entschuldigungen für eine Situation zu finden, sondern darum, Dinge aufzuzeigen, die gegen eine Kündigung sprechen.

Letztendlich hat der Gesetzgeber gewollt, dass der Betriebsrat dem Arbeitgeber vor einer Kündigung noch einmal seine Sichtweise der Dinge darlegt. Auch wenn sich aus Bedenken keine unmittelbaren Rechtsfolgen ergeben, werden die geäußerten Bedenken in einem Kündigungsschutzprozess eine Rolle spielen.

Beispiele für das Äußern von Bedenken finden sich hier.

Der Widerspruch des Betriebsrats zu einer ordentlichen Kündigung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung mindestens bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses sichern!

Weiter im Thema...

      • Die verschiedenen Kündigungsgründe näher erklärt (...)
      • Bedenken zu äußern hat keine Rechtsfolgen, ist aber trotzdem wichtig. (...)
      • Nur ein Widerspruch sichert einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung (...)
      • § 102 Abs. 3+4

        (3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn
        1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
        2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
        3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
        4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
        5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.
        (4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.